27. April 2024
Ausgabe Q1/2021

Wir sind insgesamt auf einem guten Weg

Interview mit Marion Paroli, Head of ESG Real Estate, Wealthcap zum Thema ESG bei Immobilien.

Frau Paroli, welche Bedeutung hat ESG für die Immobilien-Investmentstrategie von Wealthcap im Allgemeinen? 

Nachhaltigkeit in ihren vielfältigen Dimensionen ist eine wichtige Säule in unserer Investment-Strategie. Unser strategischer Ansatz lautet „Future Invest“. Das bedeutet, dass wir uns als langfristig orientierter Asset- und Investment-Manager auf Kapitalanlagen konzentrieren, die auch in Jahren und Jahrzehnten noch wettbewerbsfähig sind und den Investoren stabile und planbare Renditen bieten können. Aus dieser Perspektive heraus muss Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle bei Immobilien-Investments spielen, denn ohne die Berücksichtigung von einschlägigen ESG-Kriterien wird es schon jetzt immer schwieriger, jene bonitätsstarken Mieter mit langen Vertragslaufzeiten zu gewinnen, die langfristig stabile Erträge sichern können.

Hinzu kommt, dass auch Investoren immer stärker auf die Nachhaltigkeit ihrer Assets pochen – sowohl die Kapitalanleger in den Fonds als auch potenzielle Käufer −, sollte nach langer Haltedauer doch einmal ein Exit geplant sein. Und zu guter Letzt möchten wir natürlich selbst ebenso einen Beitrag zu einem nachhaltigeren Wirtschaften leisten, sei es im Umwelt- und Klimaschutz oder in vielfältigen sozialen und Governance-Belangen. Um diesem Anspruch auf allen Ebenen – von den eigenen Prozessen über die Produkte bis hin zu den Fonds-Assets – gerecht zu werden, haben wir in diesem Jahr eigens ein zehnköpfiges ESG-Team berufen.

Welche Rolle spielt ESG bei der Bewertung von Immobilien? 

In die Immobilienbewertung fließen zahlreiche Faktoren ein, von der Lage über das Preisniveau am Standort und die Gebäudesubstanz bis hin zu Mietverträgen und Leerstandsrisiko. Am Ende des Tages geben aber die langfristig und risikobereinigt zu erwartenden Erträge den Ausschlag. Da sowohl die Vermietbarkeit als auch die Qualität der Mietverträge bei nachhaltigen Immobilien steigen, übt ESG-Konformität indirekt durchaus zunehmenden Einfluss auf die Bewertung aus.

Welche Daten werden dabei berücksichtigt, und gibt es Standards, an denen man sich orientieren kann? 

Es gibt kein festes Verfahren, nach dem man definieren könnte, um wie viel Prozent sich die Bewertung einer Immobilie ändert, wenn ein bestimmtes Nachhaltigkeitszertifikat vorliegt. Dazu wäre die Assetklasse Immobilien auch viel zu heterogen. In offiziellen Bewertungsverfahren zählt das Urteil des Gutachters, der dabei auch das Ertragspotenzial und die Vermietbarkeit berücksichtigt – und somit indirekt auch ESG-Kriterien in unterschiedlichem Maße in die Bewertung einfließen.

Es gibt einige Nachhaltigkeitszertifikate, die sich am Markt durchgesetzt haben, vor allem LEED, BREEAM oder das DGNB. Einige Messgrößen lassen sich zudem ohne Weiteres quantitativ erheben, beispielsweise die Energieverbräuche. Auf Portfolio- beziehungsweise Fondsebene fließen Nachhaltigkeitskriterien zudem immer häufiger in das Urteil der Ratingagenturen mit ein, beziehungsweise gibt es ein separates Nachhaltigkeitsrating. Dieses bewertet aber zumeist nicht die einzelnen Assets, sondern die Gesamtstrategie. Einen verbindlichen Branchenstandard gibt es nicht.

Welchen Anteil hat die prognostizierte Lebensdauer von Gebäuden für ihren ökologischen Fußabdruck? Oder anders gefragt: Bauen wir nicht oftmals für einen viel zu kurzen Zeitraum?

Lebensdauer ist ein sehr wichtiges Kriterium, das leider häufig zu wenig Beachtung findet. So achten beispielsweise fast alle einschlägigen Zertifizierungen auf die Verwendung nachhaltiger Baumaterialien. Doch dem ökologischen Fußabdruck ist nicht gedient, wenn das Gebäude nach 35 Jahren schon wieder vollständig abgerissen werden muss. Materialien sollten deshalb auch langlebig sein, vor allem aber sollte das Nutzungskonzept einer Immobilie möglichst flexibel gestaltbar sein.

Dass es mit viel Kreativität und etwas Geduld auch anders geht, haben wir zum Beispiel bei der BayWa-Zentrale in München gesehen: Das etwas in die Jahre gekommene Hochhaus aus den 1960er-Jahren wurde in ein Schmuckstück verwandelt und in einen Wealthcap-Fonds eingebracht. Ich stelle zudem fest, dass die Immobilienbranche bei diesem Thema dazugelernt hat und besser geworden ist. Wir sind insgesamt auf einem guten Weg.