Mit Abundance Gate wollen Sie vor allem Flächenlösungen für Life-Science-Start-ups bieten. Welche Trends sorgen aktuell verstärkt für Neugründungen?
Holzhuber: Es spielen hier gleich mehrere demografische und technologische Gründe ineinander. Die Menschheit wird immer älter, damit verbunden ist aber auch, dass die bekannten Alterserkrankungen immer stärker zunehmen – und dementsprechend nach Lösungen gesucht werden muss. Darüber hinaus haben mehrere wissenschaftliche Errungenschaften für eine Revolution gesorgt: die CRISPR-Genschere – die Möglichkeit, aus jeder menschlichen Zelle Stammzellen gewinnen zu können und aus diesen Stammzellen wiederum Mikroorgane zu züchten, an denen Medikamente und Therapien völlig ohne Tierversuche getestet werden können. Diese Meilensteine stehen nicht nur den großen Pharmaunternehmen zur Verfügung, sondern eben auch Start-ups. Auch die dafür nötige Technik wird immer erschwinglicher. Heute ist ein Gerät zur Gen-Sequenzierung so groß wie ein Mobiltelefon und kostet 1.000 Dollar. Vor wenigen Jahren musste ein Unternehmen noch 300.000 Dollar bezahlen.
Das heißt, die Eintrittsbarrieren werden geringer?
Topalgökçeli: Absolut. Heutzutage können auch kleine Unternehmen Spitzentechnologien entwickeln und diese kommerzialisieren. Dabei sind sie oftmals sogar deutlich flexibler, kreativer und letztlich erfolgreicher als die großen Konzerne. In sehr vielen Fällen handelt es sich um Ausgründungen aus Universitäten – und die Köpfe, die dahinterstehen, forschen teilweise seit Jahrzehnten auf ihrem Fachgebiet. Um dieses Fachwissen erfolgreich zu kommerzialisieren, brauchen sie jedoch zwei Dinge. Erstens die passenden Laborflächen inklusive flexibler Anpassbarkeit sowie ein produktives Arbeitsklima. Diese stellen wir für die Start-ups bereit. Deutlich wichtiger als das ist aber auch, dass wir zweitens das Know-how bieten, unternehmerisch die wichtigen Weichen für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg zu stellen. Oder mit anderen Worten: Wir bieten eine effiziente Infrastruktur für die Kommerzialisierung der Wissenschaften.
„Wir achten bei der Auswahl der Start-ups genau darauf, dass nicht zwei verschiedene Unternehmen an exakt derselben Technologie arbeiten und somit ihr Wissen schützen müssten.“
Timur Topalgökçeli: Mitbegründer Abundance Gate
Welche Flächen brauchen diese Start-ups, um erfolgreich zu sein?
Holzhuber: Zunächst einmal brauchen alle unsere Mietunternehmen eine generelle Grundstruktur. Natürlich stehen dabei die Laboratorien im Mittelpunkt. Alle Laborflächen brauchen unter anderem eine Medienversorgung mit Gasen, Wasser und Feuer sowie den vorgeschriebenen achtfachen Luftwechsel. Darüber hinaus braucht jeder Mitarbeiter ausreichend Fläche, denn ein Forschungsteam hat auf einer Laborfläche von 30 Quadratmeter Größe gut und gerne bis zu 20 Kleingeräte stehen. Außerdem sind gemeinschaftlich nutzbare Nebenräume wichtig, zum Beispiel mit Kühlschrankräumen oder auch eigenen Waschküchen. All das muss rund um die Uhr zugänglich bleiben, denn die Moleküle, an denen gearbeitet wird, halten sich nun einmal nicht an die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten. Natürlich sind aber auch Büroräume für konzentriertes Arbeiten und Dokumentieren wichtig – genauso wie repräsentative Konferenzräume, in denen Kundenmeetings entweder persönlich oder als Videocall abgehalten werden können. Solche Räume stellen wir den Unternehmen als punktuell anmietbare Einheiten zur Verfügung.
Wie wichtig ist der Austausch der einzelnen Start-ups untereinander?
Holzhuber: In der Breitenfurter Straße in Wien werden wir insgesamt bis zu 40 Unternehmen mit bis zu 180 Foundern ansiedeln. Das ist eine Anzahl an Menschen, die man getrost als Community bezeichnen kann. Jeder kennt jeden – und dieser Austausch ist auch extrem wichtig. So können unterschiedliche Start-ups Wissen austauschen und einander helfen.
Topalgökçeli: Dieses Community-Konzept hat sich für uns sehr gut bewährt. Wir achten bei der Auswahl der Start-ups beispielsweise genau darauf, dass nicht zwei verschiedene Unternehmen an exakt derselben Technologie arbeiten und somit ihr Wissen schützen müssten. Im Gegenteil: Es entsteht ein komplexes, einander komplementierendes Netzwerk, dessen Mitglieder sich nicht nur an der Kaffeemaschine, sondern auch in den Shared Facilities unterstützen.
Welche Vorteile bietet die Mikrolage in der Breitenfurter Straße beziehungsweise im 23. Wiener Gemeindebezirk für die Start-ups?
Holzhuber: Die Nähe zu den Universitäten ist im internationalen Vergleich einfach unschlagbar – auch wegen der sehr guten Anbindung durch U-Bahn und Schnellbahn. Außerdem bietet sich für Forschende aus aller Welt ein urbanes Umfeld, in dem man sich schnell heimisch fühlt. In der direkten Nachbarschaft befinden sich Wohnungen, Schulen und Freizeitmöglichkeiten inklusive Gastronomie und einem Veranstaltungszentrum. Diese Angebote werden innerhalb des Stadtentwicklungsgebiets Liesing auch konsequent weiter ausgebaut. Für C-Level-Mitarbeitende, die oft aus der Industrie abgeworben werden und einen hohen Lebensstandard gewöhnt sind, ist auch die Nähe zu den Villenvierteln im Süden Wiens sehr attraktiv.
Welche besonderen Bedürfnisse und Anforderungen haben Sie mit Blick auf 6B47?
Holzhuber: Ein hochmoderner Laborbetrieb ist natürlich mit hohen technischen Voraussetzungen verbunden: Stromtechnik, Haustechnik, Sicherheitsstrukturen wie beispielsweise beim Brandschutz. Während wir von der Lage und vom Grundkonzept des Objekts sofort voll und ganz überzeugt waren, stand anschließend eine 18-monatige Detailarbeit mit den Kollegen von 6B47 an. Dazu ein Beispiel: Selbst die Größe und Geschwindigkeit der Aufzüge muss exakt an die Nutzungsweise eines solchen Laborkomplexes angepasst werden. Dabei gab es einen sehr intensiven Wissensaustausch zwischen 6B47 und uns – unter anderem sind wir einmal gemeinsam in die Schweiz geflogen, um uns einige der modernsten Laborflächen in Europa systematisch zu begutachten. Die Flächenlösung, aber auch die Mietvertragsgestaltung, die wir gemeinsam gefunden haben, stellt einen großen Gewinn für uns alle dar.
In aller Regel schreiben Start-ups noch keine schwarzen Zahlen. Wie bewerten Sie die Auswahl der von Ihnen begleiteten Unternehmen unter kaufmännischen Aspekten?
Holzhuber: Hier muss ich zunächst kurz ausholen. Wir arbeiten mit Unternehmen aus drei biotechnologischen Bereichen zusammen. Neben Life-Science-Unternehmen auch mit Firmen aus den Bereichen Nahrung (Food Science) sowie Landwirtschaft (Agro Science). Diese Mieterprofile unterscheiden sich sehr stark bei den Zeiträumen, bis ihre Produkte die Marktreife erreichen. Bei Agro-Science-Unternehmen ist es im Schnitt ein Jahr, bei Food-Science im Schnitt drei Jahre, bei Life-Science-Unternehmen jedoch ganze 14 Jahre. Wir arbeiten mit Life-Science-Unternehmen zusammen, die bereits in einer Technologiephase sind und die rein akademische Phase also verlassen haben – sie sind im Besitz ihrer Patente und in der ersten Phase der klinischen Tests. Wenn ein Investor in ein Unternehmen investiert, das in dieser Phase ist, weiß er ganz genau: Das ist ein sehr langfristiges Engagement. Doch die Start-ups sind in aller Regel exzellent durchfinanziert und verfügen über jahrelange Kapitalreserven. Noch dazu muss bedacht werden, dass die Miete nur einen sehr kleinen Teil der Gesamtausgaben dieser Unternehmen ausmacht und somit kaum ins Gewicht fällt.
Topalgökçeli: Bevor wir mit einem neuen Unternehmen kooperieren, führen wir aber nicht nur eine ausführliche Commercial-Due-Diligence, sondern auch eine genaue Scientific-Due-Diligence" durch. Dabei prüfen wir den wissenschaftlichen Ansatz und die Erfolgschancen des potenziellen Produkts. Außerdem fordern wir sehr detaillierte Anforderungsprofile an – beispielsweise über die verwendeten Gase und die zu analysierenden und bearbeiteten Moleküle. Potenzielle Sicherheitsrisiken schließen wir dabei von vorneherein aus, zum Beispiel arbeiten wir nicht mit Unternehmen zusammen, die mit radioaktivem Material operieren.
Wie wichtig ist das Themenfeld ESG für Start-ups aus den drei von ihnen genannten Bereichen?
Topalgökçeli: Das ist eine sehr wichtige Anforderung. Beispielsweise werden Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit innerhalb der Pharma-Branche immer stärker zum Gradmesser für Unternehmen. Allerdings kennen sich noch nicht viele Founder damit gut genug aus, weshalb wir als Abundance Gate unser Know-how bereitstellen.
Holzhuber: Auch die Flächen spielen dabei eine sehr große Rolle, denn der Betrieb von Laboreinheiten ist sehr energieintensiv. Hier trifft das Wertethema einer jungen Gründergeneration also auf die ökonomische Frage nach den Betriebskosten. Als Abundance Gate bekennen wir uns aber auch klar zur Nachhaltigkeit und nehmen nur ESG-konforme Unternehmen auf. In der Breitenfurter Straße profitieren wir von den hohen Nachhaltigkeitsstandards, die 6B47 unter anderem in Form von Geothermie und Photovoltaikanlagen umsetzt. Solche Objekte entsprechen voll und ganz unseren Vorstellungen – und die Nachfrage seitens der Mieter ist enorm. Deshalb wollen wir auch objektmäßig skalieren und an zahlreichen weiteren Standorten neue Flächenlösungen anbieten.