26. April 2024
Ausgabe Q2/2021

Ich möchte Menschen aus Kunst, Kultur und Wirtschaft zusammenbringen

Interview mit dem Künstler Martin Grandits

(c) Xandra Linsin

Herr Grandits, welche Rolle spielen Räume und Immobilien in Ihrer Kunst?

Als Künstler bin ich in verschiedenen Sphären unterwegs. Eine davon ist Kunst im öffentlichen Raum. Das Verhältnis von Kunst und Fläche ist also ein zentrales Merkmal meiner Arbeiten. Das bezieht sich unter anderem auf Denkmäler und Monumente. Ich frage mich: Werden diese überhaupt noch wahrgenommen und sind sie zeitgemäß? Deshalb versuche ich, den Denkmalbegriff gewissermaßen zu relaunchen, damit auch die junge Generation nicht einfach vorbeischlendert und diese Landmarken nicht so passiv im Stadtbild stehen.

Ich will eben auch Menschen „catchen“, die nicht bereits in die Kunst und Kultur vertieft sind. Nicht alles, was ich gerne realisieren würde, ist dabei möglich. Vieles wäre überdimensioniert und ist eher als Groteske angelegt. Am liebsten würde ich zum Beispiel ein riesiges Tor am Wiener Hauptbahnhof aufstellen, der ja zur Jahrhundertwende Ausdruck für die weltweite Bedeutung der Stadt war. Allerdings wäre es bei mir dann kein „Arc de Triomphe“, sondern eben ein „Arc de Wurst“, ein wurstförmiger Triumphbogen, unter dem die Züge durchfahren. Das ist die eine Seite meiner Kunst, bei der Räume und Orte eine Rolle spielen.

 

„Arc de Wurst“ - ein wurstförmiger Triumphbogen am Wiener Hauptbahnhof

 

Und die andere Seite?

Wenn ich Kunst innerhalb eines Gebäudes ausstelle, spielt der Raum natürlich auch eine wesentliche Rolle. Das Ideal ist dabei der White Cube als möglichst neutraler Hintergrund. Schon ein Parkettboden ist nicht mehr neutral, der bräunliche Farbton verändert die Wahrnehmung der jeweiligen Kunst im Raum. Beton und Estrich sind mir persönlich da sehr viel lieber.

 

Seit Kurzem sind Sie mit Ihrem Pop-up-Atelier im „Althan Quartier“ vertreten. Welche künstlerischen Anknüpfungspunkte sehen Sie dort?

Im „Althan Quartier“ gibt es viele neuralgische Punkte der Urbanität. Früher befand sich dort unter anderem die Wirtschaftsuniversität. Sie war ein Melting Pot für viele junge Menschen, ein kleines Zentrum im Zentrum, außerdem ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Auf der anderen Seite, an der U-Bahn-Station Friedensbrücke, sah das ein wenig anders aus. Da haben die Punks ihr Bier getrunken. Aber auch das heißt doch auf den zweiten Blick wieder: ein Melting Pot, diesmal für eine andere Klientel. Architektonisch war der Platz also schon immer so angelegt, dass sich die Leute dort gerne treffen und verweilen. Das ist für mich als Künstler sehr spannend, und ich kann nur jedem raten, sich das einmal anzusehen. Ich sehe deshalb auch viel Potenzial, dass sich das Quartier als Begegnungsort zukünftig deutlich weiterentwickelt. Außerdem finde ich die Gebäude im „Althan Quartier“ architektonisch aufregend. An ihnen wird deutlich, dass nicht jede Perle der Architektur aus der Gründerzeit oder dem Jugendstil stammen muss. Es muss eben nicht immer Fischgrätenparkett und Stuck an der Altbaudecke sein. Beton ist völlig zu Unrecht in der Öffentlichkeit negativ besetzt. Ich bin sehr froh, dass nicht alles abgerissen wird, sondern ein Teilcharakter bestehen bleibt.

 

Wie sehen Ihre Pläne für das neue Atelier im „Althan Quartier“ aus?

Die Fläche wird vor allem ein Showroom sein, Arbeiten passend zu präsentieren. In meinem bisherigen Atelier ist das nicht möglich. Zumindest nicht in einem Rahmen, in dem Kunst auch wirklich zur Geltung kommen kann. Wichtig ist mir ein abstrahierter Raum, wie ich ihn im „Althan Quartier“ habe – und kein buntes, schrilles und farbenfrohes Drumherum. Was ich mir wünsche, ist ein Setting wie in einer Galerie. Menschen aus Kunst, Kultur und Wirtschaft
sollen dort zusammenkommen und sich bei einem Getränk austauschen. Auch Menschen aus der Immobilienwirtschaft sollen dabei sein. Ich möchte die Köpfe aus verschiedenen Bereichen zusammenbringen und gemeinsam neue Ideen und Themen entstehen lassen. Vielleicht ja auch über das „Althan Quartier“, oder über ganz neue Wiener Quartiere.

 

Martin Grandits, 1982 in Wien geboren, lebt und arbeitet als Künstler in der österreichischen Hauptstadt. In seinem künstlerischen Werk lässt er sich sowohl von der Historie der Jahrhundertwende als auch der Trivialästhetik inspirieren. Im Mittelpunkt steht dabei nicht nur, die Wirklichkeit auf humorvoll-absurde Weise zu überhöhen. Genauso wichtig ist es ihm, die Betrachter „abzuholen“, sie dazu anzuregen, sich mit den Denkmälern und Landmarken in ihrem Umfeld zu beschäftigen. Ab Mai 2021 ist Grandits mit einem Pop-up-Atelier im „Althan Quartier“ vertreten.