Frau Plazeriano, mit der Neufinanzierung des Althan-Quartiers konnte die größte Finanzierung der 6B47 Real Estate Investors AG gesichert werden. Wie kam es dazu?
Plazeriano: Mit dem schrittweisen Ankauf unseres Althan-Quartiers in den Jahren 2015 bis 2017 wurden bestehende Finanzierungen übernommen, aber auch klassische Ankaufsfinanzierungen abgeschlossen. Eine solche Planungsfinanzierung umfasst ein deutlich geringeres Volumen als eine Hochbaufinanzierung. So kam es, dass mit der Baugenehmigung Ende 2020 die Hochbaufinanzierung abgeschlossen werden musste. Nach mehr als einem Jahr Vorarbeit konnten wir schließlich zum Stichtag 18.02.2022 das Closing erreichen. Ich bin froh, dass dies dank einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der RBI sowie dank der außerordentlichen Teamleistung bei 6B47 auch in Zeiten der Pandemie zu unserer vollsten Zufriedenheit gelungen ist.
Herr Weitersberger, wie kam es in Ihrem Hause zur Zusammenarbeit mit 6B47 bei der Finanzierung des Althan-Quartiers?
Weitersberger: Wir kamen mit dem Projekt Althan-Quartier erstmals 2015 in Kontakt. In jenem Jahr hat 6B47 zum ersten Mal bei uns wegen einer Finanzierung angefragt, damals noch zum Liegenschaftsankauf des FRANCIS. Dies kam aber nicht zustande. Da wir vom Standort überzeugt waren und wir das Althan-Quartier als Ganzes und dessen Assetklassen-Mischung interessant fanden, war uns 2020 klar, dass wir ein attraktives Angebot machen wollten. Wir waren uns von Anfang an bewusst, dass aufgrund der Größe des Projekts die Gesamtfinanzierung nur durch ein Konsortium dargestellt werden kann. Das Althan-Quartier ist kein alltägliches Projekt, und die Zusammenstellung eines solchen Konsortiums bei gleichzeitig vielen komplexen Themen braucht ihre Zeit. Um so ein großes Projekt auf die Beine zu stellen, benötigt es sehr enge Abstimmungen zwischen allen Beteiligten, also der RBI, als Agent, Bookrunner und Mandated Lead Arranger, und 6B47 sowie den anderen Kreditgebern. Das hat aus unserer Sicht alles wunderbar funktioniert.
Welche Herausforderungen mussten überwunden werden, bis es zur erfolgreichen Finanzierung kam?
Weitersberger: Kurz gesagt, die gesamte Komplexität des Projekts war eine Herausforderung. Unter anderem hat 6B47 ja bereits 2015 die ersten Liegenschaften angekauft, und dadurch schon viel Vorlaufzeit gehabt. Wir hingegen sind mit unserer Finanzierung erst mehrere Jahre später in aller Tiefe in das Projekt eingestiegen. Da gab es viele Themen, die wir erst kennenlernen mussten. Aufgrund der Größe des Gesamtprojekts mit Gesamtinvestitionskosten von 525 Millionen Euro war, wie gesagt, die Zusammenstellung eines Finanzierungskonsortiums notwendig. Zu berücksichtigen ist auch, dass ein Teil der Gesamtinvestitionskosten durch einen Mezzaninkapitalgeber finanziert wird. Die Erstellung eines Intercreditor-Agreements und eine laufende Abstimmung mit dem Mezzaninkapitalgeber waren somit notwendig. Auch die Verteilung des Finanzierungsbetrags auf die einzelnen Projekte beziehungsweise auch auf die einzelnen Kreditgeber war eine Herausforderung. Und natürlich kam auch noch der zeitliche Aspekt ins Spiel. Unter der Führung von Arnold Czabaun, Director Real Estate Finance, wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Finanzierung entsprechend auf den Weg zu bringen.
Plazeriano: Auch für 6B47 gab es einige zentrale Herausforderungen. Tatsächlich fiel unsere Vorarbeit mitten in die Zeit, als Büro- und Gewerbeimmobilienprojekte kritisch hinterfragt wurden. Schließlich hatte ein Großteil der Unternehmen Homeoffice-Pflicht und der Einzelhandel befand sich im Lockdown. Dementsprechend gab es in der Branche eine grundlegende Skepsis gegenüber dem FRANCIS als Herzstück des Althan-Quartiers. Die Ausgangslage war schwierig, aber wir konnten dennoch die Alleinstellungsmerkmale des Althan-Quartiers selbstbewusst und transparent kommunizieren: die einzigartige Lage im Herzen von Wien, das zukunftsweisende Mischnutzungskonzept, bei dem Einzelhandel und Freizeitnutzungen die Büroflächen aufwerten – und nicht zuletzt die Flächenkombination, bei der eine Nutzungsart die andere aufwertet. Dies konnten wir gemeinsam mit dem 6B47-Team in Form eines Memorandums aufbereiten und damit gegenüber den österreichischen Großbanken pitchen. Schnell hat sich dabei die RBI als idealer Kooperationspartner gezeigt, der sich wiederum an die Spitze des finanzierenden Bankenkonsortiums stellte.
„Wir befinden uns sehr tief im institutionellen Segement: Zahlen, Daten und Fakten müssen stimmen.“
Elke Plazeriano Head of Corporate Finance bei 6B47
Was war bei der Kommunikation mit der RBI wichtiger, Frau Plazeriano – das große Ganze oder die Details?
Plazeriano: Beides. Natürlich mussten wir den übergeordneten Konversions- und Quartiersgedanken vermitteln, damit sich unsere Finanzierungspartner ein Bild davon machen konnten, was wir eigentlich erreichen wollen. Das wiederum war die Ausgangsbasis dafür, dass wir gemeinsam in die Detektivarbeit gehen konnten. Denn eine Finanzierung dieser Größenordnung verlangt eine große Aufmerksamkeit, unter anderem gegenüber gesellschaftsrechtlichen, steuerrechtlichen und nicht zuletzt regulatorischen Details. Zudem wollten wir ja auch die Bankenfinanzierung und die Eigenkapitalvergabe seitens unserer Investoren zum selben Stichtag realisieren. Das war nur mit Detail- und Teamarbeit machbar, und – ich sage es ganz offen – der Acht-Stunden-Tag gehörte damals eher nicht zu unserer Arbeitspraxis.
Weitersberger: Meinerseits darf ich ergänzen, dass das Gesamtprojekt stimmig war. Zum einen durch die hervorragende Lage direkt am Franz-Josefs-Bahnhof, neben der U4-Linie und weiteren Straßenbahnlinien direkt vor der Haustür. Zum anderen durch den Mix aus den Assetklassen Büro, Wohnen, Retail, Hotel und Parken. Uns war klar, dass das Gesamtprojekt aus einer Hand zu finanzieren ist. Deshalb haben wir das Projekt auch immer als Gesamtprojekt angesehen und behandelt, obwohl es sich eigentlich um vier Einzelprojekte handelt. Bei einzelner Betrachtung der Objekte war auch ausschlaggebend, dass beispielsweise die Assetklasse Hotel, die durch Corona stärker gelitten hat als andere, bereits eine Vorverwertung hatte. Das Thema „grüne Finanzierung“ war ebenfalls ein sehr wichtiger Faktor für das Althan-Quartier.
Wie lassen sich finanzielle Kennzahlen, unter anderem Beleihungswerte, zuverlässig bei einem groß angelegten Konversionsprojekt ermitteln?
Weitersberger: Wir verfolgen intern einen Cashflow-Ansatz. Das heißt, in erster Linie ist es uns wichtig, zu verstehen, ob die Finanzierung aus dem generierten Cashflow des Projekts rückführbar ist. Langfristige Miet- oder Pachtverträge mit namhaften Mietern sind uns in einem ersten Schritt wichtiger als die Verkehrswerte der Projekte. Aber natürlich sind auch die Verkehrswerte und die davon abhängigen LTVs (Loan to Value) wichtige Kennzahlen. Da die Verkehrswerte nach Fertigstellung in unsere Ratings einfließen, machen wir in der Erstellung keine großen Unterschiede zwischen Bauprojekten und Standing Investments. Ausgenommen Liegenschaftsfinanzierungen, hier müssen die Verkehrswerte mittels Residualwertmethode ermittelt werden.
Bei der Entwicklung des Althan-Quartiers spielen ESG-Themen eine wichtige Rolle – Flächenversiegelung, CO2-Ersparnis sowie Quartiersbildung. Wie wichtig war das für beide Seiten bei der Finanzierung?
Plazeriano: Keine Frage, es ist immer besser, eine DIN-A4-Seite mit einer Checkliste für Finanzierer bereitzuhalten, die beispielsweise einen ÖGNI-Gold- oder Platinstandard beweist. Beim Althan-Quartier war dies jedoch nur eingeschränkt möglich, da die Zertifizierungssysteme noch gar keine Kriterien für die verschiedenen nachhaltigkeitsbezogenen Entwickleransätze aufweisen. Dementsprechend handelte es sich eher um weiche Faktoren, die dennoch sehr wichtig für die Gesamtwahrnehmung des Projekts waren, denn ohne das „Big Picture“ hätte sich die RBI wohl kaum auf eine so enorme Finanzierungssumme eingelassen. Ich möchte an dieser Stelle aber auch das „G“ in ESG betonen. Klar befinden wir uns sehr tief im institutionellen Segment – und die Zahlen, Daten und Fakten müssen stimmen. Doch ohne die transparente Zusammenarbeit auf Augenhöhe hätten wir dieses enorme Vorhaben niemals stemmen können. Denn nur wenn die Kommunikationsbasis zwischen den Kooperationspartnern passt, ist überhaupt ein vertiefender fachlicher Dialog möglich.
Herr Weitersberger, welche Rolle spielt das Thema ESG allgemein bei Ihrer Due Diligence?
Weitersberger: Im Allgemeinen findet ESG auch bereits in unseren Ratings Anwendung. Wir sammeln Daten mittels Kundenfragenbogen, Energieausweis und beantragter Bau- sowie Umweltzertifikate. Diese Daten prägen das Rating eines Projekts bzw. eines Kunden. Je mehr hier von Projektentwicklern und Kunden geleistet wird, desto positiver wird sich das auf die Ratings und die Wirtschaftlichkeit auswirken. Übrigens kann ich die Wichtigkeit von vertrauensvollen Kooperationen nur bestätigen, wie Frau Plazeriano bereits sagte. Wenn das Marktumfeld – wie aktuell – großen Schwankungen unterworfen ist, stehen Verlässlichkeit, Vertrauen und gemeinsame Erfahrungen an erster Stelle.
Frau Plazeriano, wie sah Ihre Kommunikation gegenüber den Investoren von 6B47 während der Anbahnungsphase der Finanzierung aus?
Plazeriano: Mit unseren Aktionären waren wir im laufenden Austausch, dazu gehörten regelmäßige Beiratssitzungen und ähnliche Formate, bei denen wir Updates gegeben haben. Natürlich war auch seitens der Stakeholder eine besondere Aufmerksamkeit da, weil es sich bei der Finanzierung in dieser Größenordnung um ein absolutes Novum handelt.
Wie stellen Sie sich als Kreditgeber generell auf die aktuell ungewisse Immobilienmarktlage ein, Herr Weitersberger?
Weitersberger: Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken. Zuverlässigkeit – wir stehen zu unserem Wort und stimmen bereits vor Angebotslegung die Finanzierung intern mit (künftig) involvierten Abteilungen so weit ab, dass für den Kunden nach erfolgter Genehmigung keine großen Überraschungen mehr entstehen. Langjährige Projektfinanzierungskompetenz – wir sprechen Fragen und Probleme offen an, suchen nach Lösungsvorschlägen und besprechen diese mit unseren Kunden auf Augenhöhe. Flexibilität – wir bieten maßgeschneiderte Finanzierungen, abgestimmt auf die Bedürfnisse unserer Kunden.
„Wir haben das Althan-Quartier immer als Gesamtprojekt angesehen, obwohl es sich eigentlich um vier Einzelprojekte handelt.“
Michael Weitersberger Executive Director Raiffeisen Bank International AG
Wie geht es nun nach dem Closing weiter?
Plazeriano: Im Vergleich zu konventionellen Finanzierungen erfordert ein Projekt in dieser Größenordnung ein viel kleinteiligeres Reporting und eine viel engmaschigere Taktung der Updates. Wir haben gemeinsam mit der RBI vereinbart, im zweiwöchentlichen Rhythmus Berichte abzugeben, unter anderem bezüglich der diversen Budget-Gegenüberstellungen. Und auch hierbei zeigt sich einmal mehr, wie wichtig das gegenseitige Vertrauen als Kooperationsbasis ist. Ich persönlich würde mich aber freuen, wenn wir unsere Zusammenarbeit künftig noch ausweiten könnten, falls sich die RBI dazu entscheidet, einige der noch verfügbaren Büroflächen im FRANCIS anzumieten und somit noch stärker in die größte Quartiersentwicklung unserer Firmengeschichte involviert zu werden.