Die unabhängige Fallstudie der Werner Sobek AG wirft einen wissenschaftlichen Blick auf die CO2-Bilanz unseres Büroobjekts „FRANCIS“ im Wiener „Althan Quartier“ und zeigt die enormen Einsparungspotenziale.
Fiktiver Fall: Emissionen durch Abriss und Neubau
Um die Einsparungen durch eine Konversion im Bestand zu ermitteln, wurden bei unseren Berechnungen die tatsächlichen CO2-Emissionen in Vergleich zu einem fiktiven Abriss und Neubau gesetzt. Aber wofür wären bei einer solchen Neuentwicklung Emissionen angefallen – und in welcher Höhe?
Zunächst einmal hätte der Abriss des bestehenden Bürogebäudes im Zuge der Abbrucharbeiten Emissionen verursacht. Diese hätten 1.279 Tonnen CO2-Äquivalente betragen. Um eine solche Menge zu kompensieren, müssten insgesamt beinahe 1.300 Haushalte ein Jahr lang Ökostrom statt konventionellen Strom beziehen. Außerdem wären mindestens 27.913 Tonnen CO2-Äquivalente für den Neubau freigesetzt worden. Die Menge errechnet sich aus dem Beton- und Stahlbedarf für das aktuell elfgeschossige Flächenkonzept des Projekts „FRANCIS“, also inklusive der neu hinzukommenden Etagen. „Mindestens 27.913 Tonnen“ heißt: Die Berechnung setzt konservativ an, da für die unteren Geschosse lediglich die Bauqualität der ursprünglichen Immobilie als Vergleichspunkt herangezogen wurde. Eine höhere Bauqualität im Vergleich zum 1977 errichteten Ursprungsgebäude würde noch mehr Ressourcen erfordern. Dementsprechend größer wäre der CO2-Fußabdruck in der Realität.
Bei dieser Berechnung muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein Teil der abgebrochenen Materialien hätte recycelt werden können. Wenn diese in der Kreislaufwirtschaft weitere Verwendung gefunden hätten, wäre die Belastung durch den Neubau etwas geringer ausgefallen – die Werner Sobek AG setzt hierfür 1.597 Tonnen CO2-Äquivalente als Gutschrift an. Die Rechnung „Abbrucharbeiten plus Neubau minus Recycling“ ergibt eine Gesamtbilanz von 27.595 Tonnen CO2-Äquivalenten.
Realer Fall: Jede gesparte Tonne Stahl schmälert den ökologischen Fußabdruck
Aber welche Klimawirkungen halten wir im Bestand? Hierbei zeigt sich, dass vor allem der Erhalt der Baumaterialien aus dem Jahr 1977 eine wichtige Rolle spielt. Da beim „FRANCIS“ das Stahlbetonskelett weitgehend komplett weitergenutzt wird, fallen nur das Entfernen der Fassade und die Freilegung des Kerns ins Gewicht. Diese Maßnahmen schlagen mit lediglich 100 Tonnen CO2-Äquivalenten zu Buche. Das ist weniger als ein Zehntel des Klimaeffekts, den der oben dargestellte Totalabriss hätte.
Weil für das „FRANCIS“ lediglich Stahl und Beton für den Ausbau der drei obersten Geschosse anfallen, liegen die Emissionen hierfür bei insgesamt etwa 3.250 Tonnen CO2-Äquivalenten. Die neue Fassade und der Ausbau gehören ebenfalls zu den bedeutenden Positionen bei der CO2-Bilanz der Bestandskonversion. Ähnlich wie beim fiktiven Abriss und Neubau fallen Gutschriften durch das Recycling an, weshalb sich insgesamt eine Emissionslast von 8.970 Tonnen CO2-Äquivalenten ergibt.
Eine Kleinstadt voller Ökostrom – oder ein neuer Stadtwald
Insgesamt ergeben sich bei der Konversion im Bestand Emissionen in Höhe von 8.970 Tonnen CO2-Äquivalenten. Eingespart wurden demnach 18.625 Tonnen CO2-Äquivalente, verglichen mit dem Neubauszenario. Ein solcher Wert mag für sich genommen abstrakt wirken. Im eingangs erwähnten Rechenbeispiel mit einer Tonne CO2-Äquivalenten pro Haushalt zeigt sich jedoch, dass umgerechnet eine ganze Kleinstadt ihre Versorgung auf Ökostrom umstellen müsste, um nach einem Jahr den gleichen Effekt zu generieren. Würden hingegen Bäume gepflanzt, um einen Ausstoß in diesem Ausmaß zu kompensieren, ergibt sich mit 500.000 Buchen ein kleiner Stadtwald, der ein Jahr lang CO2 binden müsste.
CO2-Äquivalente und CO2 – worin liegt der Unterschied?
Bei CO2-Äquivalenten wird die Tatsache berücksichtigt, dass es neben dem Kohlenstoffdioxid weitere Treibhausgase gibt, unter anderem Methan. Diese weiteren Gase werden für die CO2-Äquivalente in die entsprechende CO2-Menge umgerechnet und zum eigentlichen CO2-Wert addiert, sodass die gesamte Klimawirkung in einer einzigen Zahl angegeben werden kann. Wie groß die Unterschiede zwischen reiner CO2-Betrachtung und CO2-Äquivalenten sein können, zeigt sich beispielsweise bei der Stromerzeugung. Je nach Fall beträgt die Differenz durch weitere Gase mehr als zehn Prozent.
Bei der Konversion des Objekts „FRANCIS“ fallen gemäß der Sobek-Studie aber auch weiche Faktoren ins Gewicht. Unter anderem verursacht das Recyceln – und damit die Wiederverwendung des vorhandenen Stahlbetons – wesentlich weniger Lärm und Staub auf der Baustelle als ein kompletter Abriss und Neubau. Da zudem beim Bauen im Bestand wesentliche Teile des Materials bereits vor Ort vorhanden sind, reduzieren sich die erforderlichen Lkw-Fahrten für Ab- und Antransporte. Allein durch den vermiedenen Abbruch konnten im Falle des „FRANCIS“ bis zu 10.000 Fahrten eingespart werden. Das entlastet auch die betroffenen Anwohner hinsichtlich Lärm und verstopfter Straßen.
Fazit: weniger zuliefern, weniger Baustoff
Die „FRANCIS“-Studie betrachtet lediglich die Klimabilanz auf Ebene des Objekts und des Baumaterials – die erwähnten Schuttfahrten sind nicht Teil der Berechnungen. Wo unsere Studie jedoch aufhört, setzt der Report „Umweltfußabdruck von Gebäuden in Deutschland“ vom deutschen Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung aus dem Jahr 2020 an. Dieser zeigt, dass nicht nur in der Baustoffindustrie, sondern auch bei den Zulieferern jeweils ungefähr fünfmal so viel Treibhausgas anfällt wie im Hochbau vor Ort. Diese Werte fließen nur teilweise in unsere Berechnungen mit ein – entsprechend größer dürfte die Differenz tatsächlich ausfallen. Das ist nur einer der Gründe, weshalb wir hoffen, dass das „Modell ‚FRANCIS‘“ als wahrscheinlich nachhaltigstes Bürogebäude Wiens auch international Schule macht.