25. April 2024
Ausgabe 01/2023

Investoren schauen jetzt ganz genau auf den Track-Record

Aktuell gibt es gleich drei Zäsuren auf den Immobilienmärkten: steigende Zinsen, starke Teuerungsraten im Energiesektor und Baugewerbe sowie unterbrochene Lieferketten. Zudem verringert sich der Renditespread zu Staatsanleihen und anderen liquiden Assets. Warum Immobilieninvestments für institutionelle Investoren aktuell dennoch attraktiv sein können und welche Kriterien jetzt besonders wichtig sind, erläutert bulwiengesa- Generalbevollmächtigter Andreas Schulten im Exklusivinterview für „Trends & Insights.“

Herr Schulten, sind Immobilien für institutionelle Investoren aktuell überhaupt die Assetklasse der Wahl?

Schulten: Es gibt aktuell wesentliche Entwicklungen, die im gesamten Investmentmarkt die Parameter verändern. Das Bemerkenswerte ist dabei: Hätten wir nicht die hohen Kaufpreise, würde im Moment alles für die Anlageklasse Immobilie sprechen. Schließlich sind die wichtigsten Megatrends wie Reurbanisierung, eine in weiten Bereichen robuste Wirtschaft, der enorme Nachfrageüberhang und nicht zuletzt die grundsätzliche Inflationsstabilität von Immobilien wichtige Pluspunkte. Ich persönlich mache mir um das viele Kapital, das in Immobilien im DACH-Raum steckt, also deutlich weniger Sorgen, als es bei anderen Assetklassen der Fall ist. Dementsprechend gehe ich für Core-Immobilien auch davon aus, dass wir uns bei den Renditen auch künftig unterhalb der Drei-Prozent-Marke bewegen. Bei einer fiktiven Ankaufsrendite von zwei Prozent und einer Inflation von vier Prozent – zumal, wenn der Investor fremdfinanziert ist – ist die Anlage auch im Vergleich zu anderen Alternativen unattraktiv. Aber ein gutes Asset-Management in Verbindung mit indexierten Mietverträgen sorgt dafür, dass sich das Investment rentiert. Wer als Projektentwickler oder Fondsmanager allerdings bessere Renditeniveaus bei weiterhin hohem Sicherheitslevel gewährleistet und somit den klassischen Spread zur Anleihe bietet, wird auf umso höheres Interesse stoßen. 

Welche Investorengruppen prägen zurzeit den Markt?

Schulten:  Wir sehen vor allem bei den Finanzierern aktuell große Vorbehalte. Das BF.Quartalsbarometer, an dem wir als bulwiengesa maßgeblich beteiligt sind, und für das wir seit Jahren regelmäßig die gefühlte Stimmungslage der Finanzierer abfragen, hat seinen niedrigsten Stand seit dem Corona-Schock 2021. Dementsprechend dominieren kurz- bis mittelfristig vor allem eigenkapitalstarke Investoren die Märkte. Große Versorgungswerke beispielsweise werden den Immobilienmärkten auch künftig treu sein. Ich halte aber die großen internationalen Kapitalsammelstellen ebenfalls für sehr relevant. 

„Hätten wir nicht die hohen Kaufpreise, würde im Moment alles für die Anlageklasse Immobilie sprechen.“

Andreas Schulten Generalbevollmächtigter, bulwiengesa AG

Zwar sind Frankreich und das Vereinigte Königreich inzwischen stärker zur Alternative für den DACH-Raum geworden, aber dennoch hat vor allem Deutschland weiterhin eine herausragende Stellung als weltweit wichtiger Immobilienmarkt. 

Inwieweit passen die Institutionellen ihre Immobilien-Investmentstrategien nun dennoch an?

Schulten: Wir sehen hier gleich mehrere Entwicklungen. Zum einen sind die Qualitätsanforderungen der institutionellen Investoren nochmals gestiegen. Das gilt nicht nur für die klassischen wirtschaftlichen Kennzahlen, sondern oft auch für die Frage, ob die Immobilien einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten – Stichwort ESG. Institutionelle kommen nicht mehr umhin, sich damit auseinanderzusetzen und ihre Strategien entsprechend nachzujustieren, Ohne ESG-Tauglichkeit sind gerade Prime-Investments kaum mehr platzierbar. Ein moderner Büroneubau in der Innenstadt kann genauso in diese Rubrik wie ein gemischt genutztes Quartier. Gerade Letztere stehen hoch in der Gunst der Investoren. Doch auch hier sind die Akteure kritischer geworden. Wir bei bulwiengesa schätzen, dass es in Deutschland etwa 600 bis 700 Quartiere gibt; diese haben wir im Rahmen einer Studie mit Corestate im Jahr 2019 in sechs Kategorien klassifiziert. Es gibt sowohl funktionierende Kleinquartiere als auch Mega-Quartiere und sogar vertikale Quartiere – aber längst nicht überall, wo Quartier draufsteht, ist auch Quartier drin. 

Es kommt also auf eine genaue Analysearbeit an?

Schulten: Absolut. Ich warne definitiv vor einer unreflektierten „Quartiersromantik“: Bis der Idealtypus erreicht ist, sprich, bis die dynamischen Bürounternehmen sich in der Nähe des inhabergeführten Hotels mit Mikroliving ansiedeln und Young Professionals anziehen, die sich dann zum Feierabendgetränk in der lokalen Bar treffen, ist es ein weiter Weg, der stetige Optimierungsarbeit erfordert. Das ist eben auch mit hohen Managementkosten verbunden. Um es ganz klar zu sagen: Mononutzungen sind einfacher zu managen. Urbane Mischnutzungen müssen sich unterm Strich auch wirtschaftlich lohnen, weshalb das Asset- und auch das Property-Management eine wichtige Rolle spielen. Nur sie können dafür sorgen, dass die Optimierungen auch mit tatsächlichen ökonomischen Flächenaufwertungen Hand in Hand gehen. Hier kommt es meiner Meinung nach vor allem auf Flexibilität und mittelständisches Unternehmertum an, denn beim Quartier kann man nun einmal nicht alles vorausplanen.

Gibt es so etwas wie eine „unterschätzte Assetklasse“ im Quartier?

Schulten: Meiner Meinung nach sind das vor allem moderne Wohnkonzepte im Bereich Serviced-Apartments und hier vor allem beim Seniorenwohnen. Gleiches gilt für Pflegeangebote. Nach bulwiengesa-Berechnungen sind nicht nur 472.000 neue und modernisierte Pflegeplätze, sondern auch 470.000 Wohneinheiten im betreuen Wohnen allein in Deutschland nötig. Die damit verbundenen Marktvolumina liegen insgesamt bei potenziell fast 150 Milliarden Euro.

Institutionelle Investoren und Projektentwickler haben sich in jüngerer Vergangenheit immer häufiger zu Joint-Ventures zusammengeschlossen. Worauf kommt es dabei für beide Partner an?

Schulten: Für den Projektentwickler geht es vor allem um Planungssicherheit und Stabilität. Inzwischen hört man im Markt immer wieder Geschichten von teilweise weitreichenden Neukalkulationen bei der Vergabe an den Generalunternehmer. Auch die eingangs erwähnte Finanzierungsrealität kann schwierig sein. Ein Joint-Venture-Partner bringt neben dem wichtigen Kapital im Idealfall auch mehr Flexibilität. Für Investoren wiederum kommt es aktuell mehr denn je auf den Track-Record des Handelspartners an. Hat der Entwickler bereits unter Beweis gestellt, dass er den Standort und die Assetklasse versteht? Wenn ein Investor diese Frage mit Ja beantworten kann, ist ein wichtiger Grundstein für eine gemeinsame Win-win-Situation gelegt.

„Hat der Entwickler bereits unter Beweis gestellt, dass er den Standort und die Asseklasse versteht? Wenn ein Investor diese Frage mit Ja beantworten kann, ist ein wichtiger Grundstein für eine gemeinsame Win-Win-Sitaution gelegt.“

Andreas Schulten Generalbevollmächtigter, bulwiengesa AG

Gelten ähnliche Prämissen auch für Fondsbeteiligungen, oder sind dort andere Punkte wichtig?

Schulten: Natürlich kommt es auch beim Fondsmanager auf den Track-Record an. Wichtiger ist aus meiner Sicht allerdings noch die Stabilität des Managements. In der deutschsprachigen Immobilienbranche gibt es Beispiele für beides: schnelle und teilweise chaotische Führungswechsel genauso wie große Kontinuität. Aber auch bei den Portfolios sollte man genauer hinschauen: Ältere, weniger aktiv gemanagte Fonds verfügen über einen gewissen Teil an „Altlasten“, die den aktuellen Nutzungsanforderungen nur noch sehr eingeschränkt entsprechen. Funktionierende Strukturen und eine hohe Anpassungsfähigkeit sind wichtiger als eine beeindruckende Architektur, hinter der sich letztlich eine unflexible Immobilie verbirgt. Und immer wieder im Fokus: ein wirklich aktives Management!